- polnische Philosophie.
- pọlnische Philosophie.Die Anfänge der polnischen Philosophie liegen im 14.-15. Jahrhundert: Gründung der Universität Krakau (1364), Anschluss an die europäische Scholastik, reger Ideenaustausch und rasche Entwicklung der Wissenschaften wie Astronomie (heliozentrisches Weltbild des Kopernikus), Medizin und Naturphilosophie. Bis zum 18. Jahrhundert war die katholische Philosophie, lange Zeit durch den einflussreichen Jesuitenorden gefördert, in Gestalt von Scholastik und Neuscholastik bestimmend, im 16.-17. Jahrhundert daneben auch eine aristotelisch-stoisch geprägte Renaissancephilosophie und das humanitäre Reformdenken (u. a. Eintreten für Toleranz) der kalvinistisch orientierten Bewegung der Polnischen Brüder (Sozinianer). Einflüsse der französischen Aufklärung kamen in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts zur Geltung: Antoni Wiśniewski (* 1718, ✝ 1774), Jan Śniadecki (* 1756, ✝ 1830); H. Kołłątaj und S. Staszic leiteten umfassende Schulreformen ein; Józef Kalasanty Szaniawski (* 1764, ✝ 1843) verbreitete die Philosophie I. Kants. Die Folgezeit war, u. a. unter dem Einfluss der historischen Entwicklung Polens, stark von einer romantisch-idealistischen Strömung bestimmt (M. Mochnacki). Starke Wirkung übte dabei die religiös-nationale Bewegung des polnischen Messianismus aus, der in einer mystisch-spiritualistischen Philosophie der Gemeinschaft seine Ausprägung fand (v. a. J. M. Hoene-Wroński, auch der Schellingschüler J. Gołuchowski); im späten 19. Jahrhundert wurde er in einer konservativ bis revolutionär orientierten »Philosophie der Tat« weiterentwickelt, v. a. bei A. Cieszkowski, Bronisław Ferdinand Trentowski (* 1808, ✝ 1869), Karol Libelt (* 1807, ✝ 1875), Józef Kremer (* 1806, ✝ 1875), Henryk Kamieński (* 1813, ✝ 1865) und Edward Dembowski (* 1822, ✝ 1846). Im 20. Jahrhundert vertrat W. Lutosławski einen spiritualistischen Messianismus. Von der französischen Philosophie (A. Comte) beeinflusst, entwickelte sich die v. a. szientistisch und sozial geprägte Richtung des polnischen Positivismus, die auch literarische Ausprägung fand (Julian Ochorowicz, * 1850, ✝ 1917; A. Świętochowski). Von der deutschen Philosophie wirkte v. a. F. Brentano auf seinen Schüler K. Twardowski. Dieser wurde zu einem Reformer der polnischen Philosophie; auf seine an der Methode der Naturwissenschaften orientierte Schule geht nahezu der gesamte, für die polnische Philosophie des 20. Jahrhunderts bezeichnende, teils vom Neopositivismus beeinflusste Antiirrationalismus zurück. Eine herausragende Stellung gewann in diesem Zusammenhang die Warschauer Schule der Logik. Gegen die vorherrschende positivistisch-analytische Wissenschaftstheorie polemisierte nachhaltig Ludwik Fleck (* 1896, ✝ 1961). Neben der analytischen Richtung der Philosophie und der von R. Ingarden vertretenen Phänomenologie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg v. a. die marxistische Philosophie bestimmend. Zu ihren Hauptvertretern rechnen A. Schaff (Marxismus als radikaler Humanismus) und L. Kołakowski (skeptisch-kritische, antidogmatische Philosophie).T. Kotarbiński: Grundlinien u. Tendenzen der Philosophie in Polen, in: Slav. Rundschau, Jg. 5 (Prag 1933);W. Lutosławski: Der poln. Messianismus, in: Ztschr. für philosoph. Forschung, Jg. 4 (1949);W. Tatarkiewicz: Historia filozofii, 3 Bde. (Warschau 1958);K. Szaniawski: Poland, in: Handbook of world philosophy. Contemporary developments since 1945, hg. v. J. Burr (London 1981);Z. Kuderowicz: Das philosoph. Ideengut Polens (1988).
Universal-Lexikon. 2012.